Zufluchtsort oder Todesfalle? Studie aus Kanda untersucht Bienenhotels

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Wer durch die Straßen Montreals schlendert, muss aufpassen, nicht über Blumenbeet oder Bienenhotel zu stolpern. An jeder Ecke schießen bunte Wildblumen aus dem Boden, die oftmals mit Info-Schildern versehen sind, um auf die Bedeutung von Wildbienen in Städten aufmerksam zu machen. Obwohl viele Gärten, Parks und sogar Firmengelände auf den ersten Blick wie wahre Bienenoasen wirken, ist nicht alles so perfekt, wie es im ersten Moment erscheint. Das erzählt uns André-Philippe Drapeau Picard vom Insectarium in Montreal, den wir im Juli 2023 getroffen haben, um mit ihm über seine Forschung zur Artenvielfalt in städtischen Gebieten zu sprechen. Obwohl Montreal auf einem guten Weg sei, hätte die Stadt noch einen langen Weg vor sich, erklärt er uns. Eine gut gemeinte – aber oft leider nicht so gut umgesetzte – Schutzmaßnahme, seien beispielsweise Bienenhotels. Für seine jüngste Forschungsarbeit untersuchten der Entomologe und seine Kolleg:innen, wie Material, Standort und Hohlraumdurchmesser von Bienenhotels die Besetzungsrate sowie das Risiko von Fressfeinden, Parasiten und Krankheitserregern beeinflussen.

Insectarium in Montreal (c) André-Philippe Drapeau Picard
Insectarium in Montreal (c) André-Philippe Drapeau Picard

Biodiversität in Montreal: Ein florierender Trend

Auch Kanada kämpft mit der Biodiversitätskrise, die durch die gleichen Faktoren vorangetrieben wird, wie auch in anderen Teilen der Welt: Klimawandel, Zerstörung von Lebensräumen sowie der Einsatz von Pestiziden befeuern auch in Nordamerika das Bienen- und Insektensterben. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, beginnen Bundesländer, Städte und Privatpersonen zusammenzuarbeiten, um lebenswertere Lebensräume für Wildtiere zu schaffen.

Verglichen mit anderen Städten in Nordamerika ist Montreal beim Thema Biodiversität bereits auf einem ziemlich guten Weg, so André-Philippe. Im Jahr 2022 hat die Bürgermeisterin von Montreal etwa den Einsatz von Pestiziden in der Stadt verboten – das Verbot gilt sogar auf Privatgrundstücken und in Gärten. Trotz dieser eindrucksvollen Maßnahme gibt es andere Ideen, die zwar gut gemeint sind, aber deren Umsetzung nicht zwangsläufig die Biodiversität fördern. „Manchmal ist der Weg zur Hölle mit guten Vorsätzen gepflastert“, sagt André-Philippe und erzählt weiter, dass in den letzten fünf bis zehn Jahren Millionen von Honigbienen in die Stadt eingeführt wurden. Imker:innen, Unternehmen und Politik erhofften sich durch diese massenhafte Ansiedlung von Honigbienen, die „Bestäubungskrise“ zu bekämpfen; leider trat das Gegenteil ein. „Jetzt konkurrieren nicht-heimische Honigbienen mit einheimischen Wildbienenpopulationen um Nahrung“, seufzt André-Philippe. „Und bisher gewinnen die Honigbienen.“

André-Philippe vom Insectarium in Montreal (c) Claude Lafond
André-Philippe vom Insectarium in Montreal (c) Claude Lafond

Eine weitere Naturschutzmaßnahme, die seiner Meinung nach unter die Lupe genommen werden sollte, sind Bienenhotels. Im letzten Jahr untersuchten André-Philippe und seine Kolleg:innen, wie Standort und Material von Bienenhotels die Besetzungsrate von Wildbienen und anderen solitären Hymenopteren beeinflussen. Die vorläufigen Ergebnisse der Entomologen zeigen, dass Standort, Material und Hohlraumdurchmesser einen signifikanten Einfluss auf die Besiedlungsrate von Bienenhotels sowie auf das Vorkommen von Parasiten und Fressfeinden haben.

Nachdem sie für ihre Studie Bienenhotels an verschiedenen Orten in Montreal (z. B. im botanischen Garten, in Gemeinschaftsgärten und in Grünanlagen) aufgestellt hatten, überwachte das Team um André-Philippe die Nisthilfen einen Sommer lang. Überraschenderweise waren der Großteil der „Hotelgäste“ keine einheimischen Wildbienen, sondern solitäre Wespen sowie nicht-heimische Wildbienen. Und obwohl die Vielfalt der einheimischen Wildbienenarten höher war, war die numerische Anzahl von nicht-heimischen Wildbienenarten größer. Insgesamt verzeichneten die Entomologen 41 verschiedene Insekten, von denen lediglich 10 Bestäuber waren. Bei der Mehrzahl der erfassten Insekten handelte es sich um solitäre Wespen, die teilweise die Pollen der Wildbienenbrut raubten. Dies führte wiederum dazu, dass sie nicht genug Nahrung für den Winter hatten und diesen nicht überlebten.

Wie du das Risiko von Parasiten, Fressfeinden und Krankheitserregern in deinem Bienenhotel verringern kannst

Was bedeutet das also für fürsorgliche (bzw. besorgte) Bienenhotel-Besitzer:innen? Zunächst einmal: KEINE PANIK! Die Natur kann brutal sein, und Fressfeinde, Parasiten und Krankheitserreger sind für die langfristige Gesundheit einer Population unerlässlich. Dennoch gibt es einige kleinere Vorsichtsmaßnahmen und bewährte Praktiken, die Besitzer:innen von Bienenhotels beachten sollten. In erster Linie sollten die Besitzer:innen von Bienenhotels niemals Wildbienen kaufen und sie in bestehende Ökosysteme einführen, damit ihr Bienenhotel so schnell wie möglich besiedelt wird. Damit wäre eine Katastrophe vorprogrammiert, da die eingeführten Wildbienen Krankheitserreger einschleppen könnten, welche die bestehenden Mitglieder eines Ökosystems bedrohen. Statt fremde Bienen anzusiedeln, sollte ein Lebensraum so bestäuberfreundlich wie möglich gestaltet werden, indem Blumenbeete und andere naturnahe Strukturen angelegt werden. Sobald lebenswerte Lebensräume geschaffen sind, werden die Bienen schon kommen. Und ja: Manchmal kann das eine Weile dauern, da die Natur es meistens nicht so eilig hat.

Als zweite Schutzmaßnahme zur Bekämpfung von Parasiten im Bienenhotel hat André-Philippe ein einfaches, aber wirksames Mittel: die regelmäßige Reinigung der Hohlräume. Diese Praxis könnte die Ausbreitung von Wespen über mehrere Jahre eindämmen und so die Sicherheit der Wildbienenbrut erhöhen. Besitzer:innen von Bienenhotels sollten daher alle paar Jahre die Hohlräume (oder Niströhrchen) ihrer Bienenhotels reinigen (oder austauschen). Auf diese Weise können Eier von Fressfeinden, Parasiten und andere Krankheitserreger entfernt werden. Derzeit gibt es keinen wissenschaftlichen Konsens darüber, wie oft man ein Bienenhotel reinigen sollte. Aber Studien wie die von André-Philippe werden diese Forschungslücke in den kommenden Jahren hoffentlich schließen.

Drittens deuten die Ergebnisse von André-Philippe darauf hin, dass Material und Hohlraumdurchmesser einen erheblichen Einfluss auf die Besiedelungsrate von Bienenhotels haben. Hohlräume mit einem Durchmesser zwischen 3 und 5 mm wurden häufiger besiedelt als größere Hohlräume. Darüber hinaus waren Bohrungen im Hartholz beliebter als Schilf. Bienenhotels sollten grundsätzlich viele unterschiedlich große Löcher aufweisen, da eine „Vielfalt an Hohlraumdurchmessern eine größere Vielfalt an Arten“ bedeutet. Diese Empfehlungen sind natürlich mit Vorsicht zu genießen, da André-Philippe ausschließlich Wildbienen in Montreal auf dem nordamerikanischen Kontinent untersucht hat. Wildbienenarten auf anderen Kontinenten bevorzugen vielleicht eher Schilf statt Bohrungen im Hartholz, oder Hohlräume, die größer als 5 mm sind. Zukünftige Studien werden diese Eigenheiten sicherlich untersuchen.

Städte müssen „kreativ“ werden, um die Biodiversität zu fördern

Es versteht sich von selbst, dass Bienenhotels allein das Insektensterben nicht aufhalten werden. Städte und Kommunen müssen „kreativ“ werden, wenn es um Naturschutzmaßnahmen geht, die den Spagat zwischen öffentlicher Akzeptanz und biologischer Vernunft schaffen, erklärt André-Philippe. Lebensräume sollten zwar „so naturnah wie möglich sein“, aber sie müssen gleichzeitig auch von den Bürger:innen akzeptiert werden, die sie schließlich mit ihren Steuergeldern finanzieren. Bienenhotels sind eine von vielen Naturschutzmaßnahmen, die sich gut dazu eignen, das Bewusstsein und die Popularität für Themen wie Biodiversitätsschutz zu erhöhen. Wenn Material, Standort und Konstruktion von Bienenhotels dann auch noch auf wissenschaftlichen Empfehlungen beruhen, bieten sie wertvolle Nistplätze für Wildbienen.

Wir freuen uns darauf, mehr über André-Philippes zukünftige Forschung zu erfahren, und sind ihm sehr dankbar, dass er sich die Zeit für ein Gespräch mit uns genommen hat! Merci!

 

+++English version +++

Sanctuary or Death Trap? A Critical Examination of Bee Hotels by Québec Entomologists

Walking down the streets of Montreal, it is hard not to trip over blossoming flower patches or bee hotels (also known as nesting boxes), many of which are equipped with signposts explaining the importance of pollinator-friendly city planning. While many gardens, parks, and even business sites seem like bee oases at first glance, not everything is as perfect as it seems. We met up with André-Philippe Drapeau Picard from the Insectarium in Montreal to discuss his recent studies regarding biodiversity in urban areas. Although Montreal is on a good path, he tells us, the city still has a way to go. One well-intended but oftentimes not-so-well-implemented conservation measure, André-Philippe tells us, are bee hotels. In his upcoming paper, the entomologist and his colleagues examine how material, location, and cavity diameter of bee hotels affect the occupation rate as well as the risk of predators, parasites, and pathogens.

Insectarium in Montreal (c) André-Philippe Drapeau Picard
Insectarium in Montreal (c) André-Philippe Drapeau Picard

Biodiversity in Montreal: A growing buzz

Canada grapples with the same challenges that are exacerbating the biodiversity crisis in many regions of the world, André-Philippe tells us. Climate change, habitat loss and degradation, as well as pesticide use loom as formidable adversaries in the fight for bees, insects, and life. To meet these challenges, states, cities, and individuals are slowly beginning to work together to create more livable habitats for wildlife.

Compared to other cities in North America, Montreal is on a pretty good path already, André-Philippe tells us. Last year, for instance, the mayor of Montreal effectively banned most uses of pesticides in the city—even on private property and gardens. Despite these formidable policies, there are other measures that may be well intended, but do not really promote biodiversity. “Sometimes the road to hell is paved with good intentions”, André-Philippe says, and continues to tell us about how millions of honey bees were introduced into the city in the past five to ten years. Beekeepers, companies, and Montreal’s administration alike all hoped to fight the “pollinator crisis” by installing honey bee hives all over the city; but unfortunately, the opposite happened. “Now, non-native honey bees are competing with endemic wild bee populations for food”, André-Philippe sighs, “And the honey bees are winning.”

André-Philippe vom Insectarium in Montreal (c) Claude Lafond
André-Philippe vom Insectarium in Montreal (c) Claude Lafond

According to him, another conservation measure that should be scrutinized are bee hotels. Last year, André-Philippe and his colleagues examined how the location and material of bee hotels influence the occupation rate of wild bees and other solitary hymenopterans. Although their upcoming paper is still going through the peer review process, the entomologists’ preliminary results show that location, material, and cavity diameter have a significant effect on the occupation rate of bee hotels, as well as the prevalence of parasites and predators.

After setting up bee hotels at different locations in Montreal (e.g., in the botanical garden, community gardens, and green alleys), André-Philippe and his colleagues monitored the nesting boxes for one summer. Surprisingly, “renters” did not just turn out to be native wild bees, but also solitary wasps as well as non-native species. In fact, while there was a higher diversity of native bee species, there was a higher abundance of non-native species. In total, the entomologists recorded 41 different species, of which solely ten were pollinators. The majority of recorded insects were wasps, some of which fed on the pollen of the wild bee brood, who then cannot make it through the winter.

How to reduce the risk of parasites, predators, and pathogens in your bee hotel

So, what does this mean for prospective (or should we say: protective) bee hotel owners? First of all: DON’T PANIC. Nature can be brutal and predators, parasites, and pathogens are essential for a population’s long-term health. That being said, there are some minor precautions and best practices that bee hotel owners should follow. First and foremost, bee hotel owners should not buy “wild” bees and introduce them into existing ecosystems so that they have many “renters” in their bee hotels as soon as possible. This is a recipe for disaster, as the new arrivals could carry pathogens that threaten existing inhabitants of an ecosystem. Instead of introducing new bees, a habitat should be made as pollinator-friendly as possible, by creating flower patches and other near-natural structures. Once livable habitats are created, the bees will follow. And yes, this may necessitate patience, as sometimes nature is in no big hurry and can take a while.

Secondly, to combat parasitic pressures, André-Philippe suggests a simple yet effective remedy—regular cleaning of nesting cavities. This practice could stymie wasp incursions, ensuring a safer haven for wild bee broods. Therefore, bee hotel owners should clean (or exchange) the cavities (or tubes) of their bee hotels every few years. In doing so, predators’ eggs, parasites, and pathogens can be removed. Currently, there is no scientific consensus as to how often one should clean a bee hotel. But studies, like André-Philippe’s, will hopefully close this research gap in the years to come.

Thirdly, André-Philippe’s results indicate that material and cavity diameter have a significant effect on the occupation rate of bee hotels. Cavities between 3 and 5 mm had a higher occupation rate than wider cavities, while wooden logs were preferred over reeds. In general, bee hotels should have a range of diameter sizes, as a “diversity in cavity diameters means a higher diversity of species” that can use them. Of course, these results should be taken with a grain of salt, as André-Philippe solely examined wild bees in Montreal. Wild bee species on other continents may well prefer reeds to logs, or cavities that are larger than 5 mm. Future research will surely examine these idiosyncrasies.

Cities must “be creative” with their conservation measures

It goes without saying that bee hotels alone will not stop the decline of insect populations—let alone the biodiversity crisis. Cities must “be creative” when it comes to conservation measures, André-Philippe tells us, and delicately balance public acceptance with biological sense. While habitats “should be as close to nature as possible”, they must also be popular among a city’s human inhabitants, who finance their upkeep. Bee hotels are one of many conservation measures that are well-suited to raise awareness and popularity for topics such as the biodiversity crisis. And when material, location, and construction of bee hotels are based on the advice of entomologists like André-Philippe, they are also a valuable tool for providing nesting habitats and to study wild bee species.

We look forward to hearing about André-Philippe’s future endeavors and are deeply grateful that he took the time to talk to us! Merci!

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