Bienensterben durch Neonicotinoide?
Michael Watson 0
Es ist kein Geheimnis, dass die Nutzung von Pestiziden in der Landwirtschaft einen großen Teil zum Bienensterben beiträgt. Von Herbiziden gegen Unkraut, Fungiziden gegen Pilzbefall und Insektiziden gegen Schädlingsbekämpfung hat die moderne Agrarwirtschaft für jedes pflanzliche Leid eine chemische Antwort. Nicht alle dieser Pestizide sind für die Umwelt unbedenklich: Seit einigen Jahren wird der Einsatz von Neonicotinoiden scharf kritisiert, da diese Stoffgruppe für wildlebende Insekten und Wild- und Honigbienen ein großes Risiko darstellt.
Was sind Neonicotinoide?
Neonicotinoide werden seit Jahren in Pestiziden für die Landwirtschaft verwendet. Die Stoffgruppe hat sich als hochwirksam gegen eine Vielzahl von Schädlingen herausgestellt, wie zum Beispiel Blattläusen, Zwergzikaden, Mottenschildläusen oder Kleinschmetterlingen. Auch in Europa erfreuen sich Pestizide auf Neonicotinoidbasis großer Beliebtheit bei konventionellen Landwirten, die jährlich hunderte Millionen Euro für das Pflanzenschutzmittel ausgeben.
Neonicotinoide sind ein sogenanntes systemisches Insektizid. Das bedeutet, dass Pflanzen den Wirkstoff über die Blätter oder Pflanzenwurzel aufnehmen und dann über die ganze Pflanze verteilen. Für Schädlinge sind das schlechte Nachrichten, denn egal wo sie die Pflanze angreifen, nehmen sie den giftigen Wirkstoff auf. Neonicotinoide sind selektive Nervengifte, die sich an die Nervenzellen binden und dort die Weiterleitung von Nervenreizen unterbinden. Bei Insekten, die mit Neonicotinoiden in Berührung kommen, wird ein Dauerreiz im Nervensystem ausgelöst, was zu Verkrampfungen und schließlich zum Tod führt.
Einsatz und Verwendung von Neonicotinoiden
Als Neonicotinoide in den 90er-Jahren auf den Markt kamen, wurden sie zunächst als schonendes Pestizid verkauft. Anders als die vorherigen Pestizide wurden Neonicotinoide nicht versprüht, sondern direkt auf das Saatgut aufgetragen – das sogenannte "Beizen". Befürworter von Neonicotinoiden erhofften sich so, dass weniger schädliche Stoffe in die Umwelt gelangen würden, als beim traditionellen Sprühen. Da sich Neonicotinoide von der Wurzel bis zur Blüte verteilen, schützen sie die Pflanze vom Tag der Aussaat bis zur Ernte. Allerdings gelangt bei der Aussaat von gebeiztem Saatgut etwa 2 Prozent der Neonicotinoide als staubförmiger Abrieb in die Umgebung, wo das Nervengift von anderen Insekten und Tieren aufgenommen wird.
Neonicotinoide werden zum Großteil in Form von gebeiztem Saatgut verwendet. Sie kommen besonders oft in der Aufzucht von Baumwolle, Zuckerrüben, Mais und Raps vor.
Risiken für Wildbienen und Honigbienen
Obwohl Wild- und Honigbienen keineswegs als Schädlinge zu klassifizieren sind, stellt der Einsatz von Neonicotinoiden ein großes Risiko für Bienen dar. Da sich Neonicotinoide in der gesamten Pflanze verteilen, sind sie auch in Pollen und Nektar vorhanden, wo sie von Bienen aufgenommen werden. Des Weiteren können Neonicotinoide durch Regen und Bewässerung aus der Pflanze herausgewaschen werden, wo sie in das Grundwasser gelangen und so auch von anderen (nicht landwirtschaftlichen) Pflanzen aufgenommen werden.
Bei direktem Kontakt mit Neonicotinoiden sterben die meisten Bienen, aber selbst kleinste Mengen können drastische Folgen für sie haben: Studien haben gezeigt, dass kleine Mengen von Neonicotinoiden bei Bienen zu Störungen in Gehirnprozessen führen können und Navigation, Kommunikation und Pollensammelfähigkeit stark beeinträchtigen: Viele Bienen finden dann nicht mehr zurück in den Bienenstock und das ganze Bienenvolk leidet darunter. Seit Jahren warnt die Wissenschaft vor den schwerwiegenden Folgen des Insektensterbens: Wenn es keine Bienen mehr gibt, werden unsere Pflanzen nicht mehr bestäubt. Dies kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass wir unsere Felder selbst bestäuben müssen oder gar kein Obst, Gemüse und Getreide mehr ernten können. Auch in Deutschland ist das Insektensterben längst eingezogen und es gibt Regionen, in denen die Insektenpopulation in den letzten 30 Jahren um 80 Prozent zurückgegangen ist.
Verbote und Gesetzeslage von Neonicotinoiden
Seit 2013 sind bestimmte Pestizide, die Neonicotinoide enthalten, in der Europäischen Union stark eingeschränkt, so zum Beispiel Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam. Diese Mittel dürfen seitdem nicht mehr bei bestimmten Kulturpflanzen wie Sonnenblumen, Mais und Raps im Freiland verwendet werden. In Gewächshäusern ist ihre Verwendung in Europa allerdings noch erlaubt. Bayer und Syngenta, Hersteller von neonicotionoidhaltigen Pestiziden, legten dagegen zwar Klage ein, doch in 2018 bestätigte der Europäische Gerichtshof das Freilandverbot. Umweltschutzverbänden gehen die EU-weiten Verbote allerdings nicht weit genug. So fordert Greenpeace das sofortige Verbot von mindestens sieben Neonicotinoid-Produkten der Firmen BASF, Bayer und Syngenta.
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