Klimawandel im Garten: Wie lassen sich Nutz- und Naturgärten zukunftsfähig gestalten?
Michael Watson 0
Der Sommer 2023 war extrem. Extrem heiß, extrem trocken, extrem nass und dann wieder extrem heiß. Tatsächlich stellte das Wetter in diesem Jahr so viele Negativ-Rekorde auf, wie noch nie und begünstigte weltweit verheerende Waldbrände, Überschwemmungen und Hurrikans. Auch wenn die Rhein-Neckar Region glücklicherweise von Unwetterkatastrophen verschont blieb, sorgt das extreme Wetter bei Obst- und Gemüsebauern für Frust und Sorge um die Zukunft.
So auch bei Andreas Niemöller, der als Gemüsebauer und Arbeitserzieher den Ökologischen Lehrgarten des IBs leitet. „Seitdem ich denken kann, habe ich so etwas noch nicht erlebt“, fasst Andreas die klimatischen Veränderungen der letzten fünf Jahre zusammen. „Früher haben wir uns gefreut, wenn die Sonne mal zwei Wochen am Stück geschienen hat. Heute müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das Gemüse vor der Hitze schützen können.“
Im August 2023 besuchten wir Andreas, um mit ihm über Nutz- und Naturgärten in Zeiten des Klimawandels zu sprechen. Im Interview erklärt er uns, an welchen Stellschrauben man drehen kann, um die Resilienz von Gärten zu stärken. „Man darf nicht resignieren“, erklärt er uns. Durch geschickte Pflanzenwahl, Gartengestaltung und durch den Einsatz bestimmter Technologien könne man seinen Garten stärken und fit für die Zukunft machen.
Klimawandel im eigenen Garten
Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch im Ökologischen Lehrgarten in Mannheim nicht zu übersehen. Vor allem in den letzten fünf Jahren hat Andreas drastische Veränderungen bemerkt, die er so noch nie erlebt hat. „Wegen der lang anhaltenden Dürrephasen haben wir dicke Risse im Boden, in die ich meine Hand stecken konnte“, beschreibt er die Folgen der Dürresommer. „Und das, obwohl unser Lehmboden normalerweise viel Wasser speichern kann und sehr langsam austrocknet.“ Schon jetzt sei es schwierig für Andreas, seine Weiden ausreichend zu bewässern, sodass sie ihre Blätter Jahr für Jahr früher abwerfen.
Wenn es dann mal in den Sommermonaten regnet, sind es meistens gewaltige Massen an Niederschlägen, die auf den Boden prassen. Folgt solcher Extremregen auf eine Dürrephase, läuft es einfach über den verhärteten Boden in das Grundwasser hinab, statt sich in den oberen Bodenschichten festzusetzen. Nährstoffe werden herausgespült und das Überschwemmungsrisiko steigt, da zu wenig Wasser im Boden gespeichert wird. Eine Lose-Lose-Situation, könnte man fast sagen.
Auch im Winter machen sich klimatischen Veränderungen bemerkbar, erzählt Andreas: „Wir mussten in den letzten Jahren im November noch den Rasen mähen – das ist auch neu“, lacht er. Da es nicht danach aussieht, als würde sich der Klimawandel in den nächsten Jahren entschärfen, rät Andreas deshalb zum Umdenken und zum Umgestalten von Gärten: „Es wird auf jeden Fall härter, unsere Gärten zu schützen.“
Pflanzenauswahl in Zeiten des Klimawandels
Die erste Stellschraube, an der man drehen könne, sei die Pflanzenauswahl. Grundsätzlich rät Andreas: „Je mehr Vielfalt dein Garten hat, desto resilienter ist er.“ Dabei setzt er nicht ausschließlich auf heimische Pflanzenarten, sondern baut auch exotische Pflanzen wie Kalebassen, Artischocken und Kiwano an, die Hitze und Trockenheit besser vertragen. „Das bedeutet aber nicht, dass wir hier bald Olivenhaine haben werden“, fügt er noch an. Wer denkt, dass man in Deutschland einfach auf mediterrane Feldfrüchte umsteigen könne, liege nämlich falsch. „Kälteeinbrüche im Winter werden in der Zukunft häufiger vorkommen und solche exotischen Pflanzen umbringen.“
„De facto müssen wir uns damit abfinden, dass im Garten der Zukunft nicht ausschließlich heimische Pflanzen angebaut werden können.“ Deshalb plädiert Andreas für „weniger Ausländerfeindlichkeit“ im Garten und auch nicht-heimischen Pflanzen eine Chance zu geben.
Grundsätzlich betont er, dass man robustere Pflanzen bevorzugen sollte, die den Wetterextremen trotzen können. Kräuter seien eine gute Wahl, da sie in der Regel besser mit den veränderten Bedingungen zurechtkommen und von der intensiveren Sonneneinstrahlung sogar profitieren könnten. Wasserliebende Pflanzen wie Melonen, Tomaten, Gurken und Kartoffeln könnten es immer schwerer haben in der Zukunft. Aber durch geschickte Wahl von Pflanzensorten und clevere Bewässerungssysteme könne man Dürreperioden (zumindest teilweise) abfedern.
Resilienz durch Gartengestaltung und Technologie
Um Nutz- und Naturgärten widerstandsfähiger gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels zu machen, seien neben der Pflanzenauswahl auch gestalterische Veränderungen erforderlich. Andreas empfiehlt die Schaffung von Kleinklimazonen im Garten, die Schatten, Sonne, Sand und kühle Bereiche umfassen, um die Vielfalt im Garten zu fördern: „Denn vielfältige Ökosysteme sind widerstandsfähiger.“ Lehmbau-Projekte könnten etwa im Sommer Kälte und im Winter Wärme speichern und sukzessive an die Umgebung abgeben.
In seiner Produktionszone setzt Andreas auf Methoden wie das No-Dig-System und den biointensiven Gemüsebau, um auf kleiner Fläche einen hohen Ertrag zu erzielen und den Boden zu schonen. Die Bedeckung des Bodens – auch im Winter – sei ein weiterer wichtiger Aspekt, um den Boden zu schützen und aufzubauen. Er betont auch die Bedeutung von winterfesten Gründüngungspflanzen, wie den Waldstaudenroggen, die im Herbst ausgesät werden und im milden Wetter keimen könnten. „Unsere erste Ernte im Jahr ist die Mulch Ernte, die wir dann im Mai für den Bodenaufbau in unserer Produktionszone nutzen“, erklärt er. Des Weiteren seien Technologien wie die Tröpfchenbewässerung oder die Nutzung von Photovoltaikanlagen, um Brunnen zu betreiben, ebenfalls zukunftsfähige Investitionen.
Andreas Niemöller: „Man darf nicht resignieren“
Die Herausforderungen des Klimawandels sind im Gartenbau schon heute spürbar. Damit Gärten in der Zukunft Dürre, Trockenheit und extreme Niederschläge verkraften, müssen also Maßnahmen ergriffen werden, die Nutz- und Naturgärten widerstandsfähiger machen. Durch geschickte Auswahl an Pflanzen, clevere Umgestaltung von Gärten und den Einsatz von bestimmten Technologien könnten Gärten resilienter werden. „Wir dürfen nicht alles schwarzmalen“, erklärt Andreas. „Aber wir müssen vieles im Gartenbau neu denken und möglichst bald umsetzen.“
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