Der ökologische Lehrgarten des IB Mannheims
Michael Watson 0
In den nächsten Monaten werden wir Andreas Niemöller im ökologischen Lehrgarten des IB Mannheims begleiten und mit ihm über viele spannende Themen sprechen. Wir freuen uns schon sehr auf die nächsten Artikel und möchten Andreas ganz herzlich für seine inspirierende Arbeit danken, die diese Welt zu einem besseren Ort macht.
Im Industriegebiet Mannheim-Mallau trennen knapp 670 Meter Luftlinie den wohl größten CO₂-Emittenten vom vielleicht sympathischsten CO₂-Schlucker der Stadt. Im Schatten des Kohlekraftwerks reichert Andreas Niemöller den Boden seiner Gemüsebeete mit eigenproduzierter Terra preta an, als wir ihn im Juni 2023 besuchten. Die schwarze Erde soll besonders gut Nährstoffe speichern, erklärt er, was für hohe Erträge im Obst- und Gemüsebau sorgt, ohne dass der Boden überdüngt wird. Gleichzeitig bindet die schwarze Erde das klimaschädliche Kohlendioxid im Boden. „Das ist gut fürs Gemüse und gut für die Umwelt.“
Andreas weiß natürlich, dass seine 2.500 Quadratmeter niemals die 5.000.000.000 Kilogramm Kohlendioxid schlucken können, die das Grosskraftwerk Mannheim jährlich in die Atmosphäre bläst. Aber darum geht es ihm in seinem Garten auch nicht. Denn bei ihm sollen nicht nur Pflanzen, sondern auch Menschen gedeihen. „Wir wollen hier Jugendlichen helfen, die es bisher nicht immer einfach im Leben hatten“, erklärt er uns.
Der ökologische Lehrgarten des IB: Bildungsstätte, Garten, Insektenoase
Andreas leitet seit 2010 den ökologischen Lehrgarten des Internationalen Bunds (IB) in Mannheim. Über 200 psychisch beeinträchtigten Menschen hat er bereits in den letzten 13 Jahren geholfen, im Leben Fuß zu fassen. Die von der Agentur für Arbeit vermittelten Teilnehmer:innen im Alter von 17 bis 25 Jahren haben oft schlimme Schicksale erlebt, weshalb sie sich nicht immer den Herausforderungen des Arbeitsmarktes gewachsen fühlen. Bei Andreas sollen sie deshalb praktische Fähigkeiten, wie Gehölzschnitt, aber auch Schlüsselkompetenzen fürs Leben lernen. „Das Gärtnerische steht hier aber nicht im Vordergrund“, erklärt er uns inmitten seiner Wildblumenwiese. Vielmehr gehe es darum, Teilnehmer:innen einen geschützten Raum zu bieten, um Fähigkeiten auszutesten und eigene Talente zu entdecken. „Das soll aber nicht heißen, dass hier nicht gebuckelt wird“, sagt er und wird plötzlich ernst. „Das hier soll keine Wohlfühloase sein.“
Grüne Oase inmitten von Grau
Obgleich der ökologische Lehrgarten während der Arbeitszeit keine Wohlfühloase sein soll, fühlt es sich ziemlich paradiesisch an, wenn man durch das große Holztor ins Grüne tritt. Denn inmitten des grauen Industriegebiets Mannheim-Mallau erscheint der ökologische Lehrgarten wie der kurpfälzische Garten Eden: Unbekümmert gackern Hühner, die zwischen den Beinen von Gästen hindurchhuschen. In den Gemüsebeeten ranken grüne Bohnen, pralle Tomaten und saftige Salatköpfe aus der Erde. Und am Lavendel schwirren so viele Erdhummeln umher, dass man beinahe Angst hat, dass die arme Pflanze gar nicht mit der Nektarproduktion nachkommt.
Als Andreas vor 13 Jahren das Gelände zum ersten Mal betrat, sah es hier noch ganz anders aus. Auf der ehemaligen Brachfläche stehen jetzt Lehmhütten, Pizzaofen, Hühnerstall, Insektenhotel, Wildblumenwiese, Gemüsebeete und noch viel mehr. Alles hat der gelernte Gemüsebauer und Arbeitserzieher über die Jahre mit seinen Teilnehmer:innen in Eigenregie aufgebaut. Die Materialien hierfür stammen ausschließlich aus der Region oder sogar aus dem Garten. „Statt Mauersteine im Baumarkt zu kaufen, haben wir den Lehm aus dem Garten benutzt, um unsere Hütten zu bauen.“ Diese Herangehensweise spare Geld, Ressourcen und CO2 ein. „Wir arbeiten hier mit dem, was die Natur uns bereitstellt“, erklärt uns Andreas.
„Ich will den Naturschutz nicht forcieren“
Auch wenn Nachhaltigkeit, Biodiversität und Naturschutz im ökologischen Lehrgarten täglich gelebt werden, will Andreas bei seinen Teilnehmer:innen den Naturschutz nicht forcieren. „Wer in so einem jungen Alter solche Lebenskrisen durchgestanden hat, hat ganz andere Themen als Nachhaltigkeit im Kopf“, erklärt er. Stattdessen fährt er eine andere Schiene, die aber letztlich dasselbe Ziel ansteuert: „Unsere Teilnehmenden fühlen sich hier im grünen Wohl und haben eine gute Zeit, wenn sie hier arbeiten. Da baut man ganz automatisch eine engere Beziehung zur Natur auf.“ Der ökologische Aspekt sei natürlich ein wichtiger Faktor, der Andreas antreibt, sagt er uns. „Aber eigentlich mache ich das Ganze hier wegen den Menschen.“
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